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Tagesbuch

Predigt von Erzpriester Sergij Baburin vom 26.07.2020

28.07.2020 | Thema: Predigt, Tagebuch |

Am heutigen Sonntag möchten wir unsere gemeinsame Aufmerksamkeit auf dieses Fragment des Evangeliums, das uns von der Kirche angeboten wird, lenken. Wieder einmal hören wir von den Wundern des Herrn. Wieder einmal freut sich unser Herz, wenn wir darüber sprechen, dass in unserem Leben Platz für Wunder ist. Es ist in unserem Leben möglich. Das heutige Evangelium sagt uns, dass die Grundlage für das Wunder unser Glaube ist, aufrichtig, herzlich, lebendig, fähig, Berge zu versetzen. Natürlich ist es eine allegorische, poetische Phrase, aber wir verstehen trotzdem, dass sie zuallererst einen Berg unserer Empfindungslosigkeit, unserer menschlichen Härte und Zähigkeit bewegen kann. Heute möchte ich mich auf zwei Punkte konzentrieren, die mich selbst beim Anhören dieses Textes berührt haben. 

Wir hören, wie der Herr zwei blinde Männer heilt. Sie folgen dem Herrn schon seit geraumer Zeit, sie laufen und verlangen nach einem Wunder. Aber es sind sehr interessante Leute. Sie rufen nicht: „Gott heile uns, mache uns sehend“. Sie rufen: „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich unser!“ Sie beten um Gnade. Der Herr tut es nicht sofort. Er lässt sie es eine Weile warten. Sie gehen ihm nach. Und wir verstehen bereits aus dem Kontext des Evangeliums, dass dieser Dialog am Ende in einem Haus stattgefunden hat. Und im Laufe dieses Dialogs erheben sie weiterhin regelmäßig ihre Stimme, damit der Herr sie hören kann. Der Herr heilt sie, gibt ihnen die Sehkraft zurück, gibt ihnen den Segen zurück, den jeder Mensch, der als Seher geboren wurde, hat, um die Schönheit dieser Welt zu erleben. Und danach sagt der Herr sehr seltsame, strenge Worte. Der Herr, so heißt es im Evangelium, sagte ihnen streng: „Sagt niemandem etwas”. Und natürlich können wir uns die Frage stellen, warum Gott zu diesen Menschen so spricht.

Natürlich kann es damit zusammenhängen, wie oft wir im Evangelium erkennen, mit den individuellen Eigenschaften dieser Menschen, aber wir wissen nichts weiteres darüber. Der Heilige Johannes Chrysostomos, Theophylakt von Bulgarien, die Väter, die die heiligen Schrift deuteten, erklären, dass in diesen Worten des Herrn seine Demut zum Ausdruck gebracht wird. Er will nicht, dass die Botschaft über seine Wunder wieder einmal offenbart wird.

Es gibt einen weiteren sehr wichtigen Punkt, den der Herr immer wieder betont. Er vollbringt keine Wunder für ein Wunder, um bekannt und beliebt zu werden. Er läuft davor weg. Ihm tut die menschliche Eigenschaft, die ein Wunder erfordert, weh. Wir erinnern uns an eine wunderbare Evangeliums Geschichte, als der Herr ein noch nie da gewesenes Wunder der Sättigung von 5000 Menschen mit fünf Broten vollbringt und danach Menschen in einer solchen logischen Kette eine Entscheidung treffen, die nicht dem entspricht, wofür der Herr auf die Erde gekommen ist. Sie beschliessen: „Es ist gut einen solchen König zu haben, der fünftausend Menschen mit fünf Broten sättigen kann, deshalb müssen wir ihn zum König machen. Wir werden nie Probleme haben: weder mit Brot, noch mit Fisch, noch mit Wein, noch mit irgendetwas“. Am Ende kommen die Gedanken dieser Menschen nicht zu der Tatsache, dass es notwendig sei, die Geistesveränderung durchzuführen, sondern dass es sehr gut sei, mit Christus zu leben. Sie wollten aus ihm einen König machen, und der Herr muss sich auch unbemerkt verstecken, damit dieser Gedanke in den Köpfen der Menschen stirbt, damit sie nicht versuchen, ihn zu verwirklichen. Der Herr zieht immer eine Analogie, wenn er seine Wunder vollbringt. Er sagt über den Glauben: „Glaubt ihr?“ – denn heute fragt er diese beiden blinden Männer. Sie sagen: „Ja, wir glauben, glauben an Dich.”

Der Herr betont, dass Wunder und Glaube zwei voneinander abhängige Aspekte des Evangeliums sind. Wenn Gott in dieser Situation diesen beiden blinden Männern strikt untersagt, darüber zu sprechen, segnet er sie nicht, über dieses Wunder zu sprechen, denn dies entspricht unserem menschlichen Wesen.  Wir wollen vor allen stolz sein, wir wollen es allen erzählen, und vielleicht sogar ein wenig damit angeben, denn der Herr hat ein Wunder an mir vollbracht, nicht an ihm, nicht an ihr, sondern an mir, und alle sollen es unbedingt wissen. Das ist ein Merkmal unserer menschlichen Natur, ihre Redseligkeit, ihr Wunsch, als erster Nachrichten über Wunder zu verbreiten, so dass alle neidisch werden. Deshalb sagt der Herr zu den Menschen: „Schweigt, was euch geschaffen wurde, denn ihr habt um Barmherzigkeit gebeten. Ich habe Erbarmen mit euch, aber nicht, dass ihr hingeht und darüber redet“. Wahrscheinlich ist dies ein sehr wichtiger Moment für uns alle, denn jeder hat seine eigenen Wunder: Es gibt Wunder der Erleuchtung, es gibt Momente, in denen wir den Sinn unseres eigenen Lebens verstehen, es gibt freudige Momente des Gebets, wie wir es plötzlich verstehen, es gibt wirklich Wunder, wenn wir durch unser flammendes Gebet sehen, wie wir entweder heilen oder wie der Herr unsere eigenen inneren Angelegenheiten oder die Angelegenheiten unserer Kinder, unserer Lieben regelt. Jeder hat wahrscheinlich eine Liste solcher Momente. Aber als Muttergottes sind wir aufgerufen, dieses Wunder in unseren Herzen zu verankern, als eine Freude der Begegnung, als eine Tatsache unserer Bekanntschaft, eine sehr persönliche Zusammenkunft mit Gott. 

Es gibt einen weiteren Punkt, den wir heute hören, den ich für sehr wichtig halte, um ihn hervorzuheben. Ein sehr wichtiger Punkt über das Verhalten der Pharisäer. Wir wissen, dass sie eine Art bösartige Menschen sind, widerwärtig. Sie folgen immer Christus nach, wollen etwas, schmieden Pläne. Sie haben die erste Verschwörung geschmiedet. Aber auf der anderen Seite, ist es so? Sind sie wirklich so unangenehme Menschen? Wir verstehen aus dem Evangelium, wenn wir sorgfältig lesen, dass sie für Sie und mich äußerst nette Menschen zu sein scheinen, die wahrscheinlich uns sehr ähnlich sind, weil sie versucht haben, ein gerechteres Leben zu führen, wie sie konnten. Sie studierten die Heilige Schrift, sie kannten das Gesetz, sie widmeten ihm ihr Leben.

Aber warum ist dann ein Konflikt entstanden? Warum hassen sie den Herrn so sehr? Sie sind Zeugen von Wundern. Sie müssen sie selbst zugeben. Sie sprechen nicht darüber, was er tut, aber sie suchen nach einer Rechtfertigung für diese Wunder. Und das ist es, was wir heute gehört haben: Er vollbringt seine Wunder durch die Macht des Fürsten der Dämonen. 

Weshalb ist diese Blindheit möglich? Auch hier handelt es sich um einige Überlegungen über unsere menschliche Natur. Das Evangelium offenbart uns viel die Pharisäer und natürlich auch über uns selbst. Warum ist das so? Weil sie ihre eigene Vorstellung von Gott hatten. Es bildete sich allmählich in ihren Köpfen heraus. Sie wollten an einen Gott glauben, der in ihrem Verstand geboren wurde. Nicht an den Gott, der sich ihnen öffnete und zu ihnen kam, sondern an den Gott, der subjektiv und verständlich für sie war. Sie wollten an einen solchen Gott glauben und an keinen anderen.

Und dieser Moment ist sehr interessant, weil er unserer menschlichen Natur eigen ist. Jeder stellt sich Gott aufgrund seiner Verdorbenheit, aufgrund seiner Lebenserfahrung vor. Denn das Bild des Turms zu Babel ist nicht nur eine bestimmte historische Erinnerung. Es ist ein gewisses Bild des menschlichen Wahnsinns, das manchmal in Menschen, in Kulturen, in bestimmten historischen Epochen und manchmal im Leben einer konkreten Person auftritt, wenn ein Mensch beginnt, sich zu begehen, einen Teil seines eigenen Turms zu Babel zu bauen, seine eigenen Vorstellungen von Gott, an sie zu glauben, für sie zu kämpfen und alle zu hassen, die falsch liegen. Dies ist ein ernster Moment, denn er liegt in unserer Natur. Und hier beginnt etwas, das uns oft begegnet. Christus – das ist der Christus unserer Kirche, das ist der Christus, von dem unser Priester spricht, das ist der Christus, der in meinem Bewusstsein vertreten ist, den ich mir vorstelle, und alles andere ist für mich inakzeptabel. Natürlich verstehen wir aus dem Evangelium, dass wir alle sehr unterschiedliche Menschen sind, und deshalb hat jeder von uns seine eigene Begegnung mit dem Herrn, auf seine eigene Art und Weise wird der Herr jedem von uns offenbart. Aber dieser Moment im heutigen pharisäischen Verhalten ist eine sehr ernüchternde Tatsache des Evangeliums, die uns sagt, dass wir uns oft fragen müssen: „Stimmt mein Glaube an Christus mit dem Evangelium überein? Entspricht es dem Opfer Christi, wie Christus es lehrte, und bin ich auf dasselbe Opfer vorbereitet, von dem der Herr spricht, und ist mein eigenes Leben in seinem Fundament? Bin ich bereit, für andere zu sterben, wie der Herr stirbt und wie der Apostel Paulus sagt: “ Macht es mir nach, wie ich Christus nachfolge. Lernen wir in unserem täglichen Leben, das Evangelium Christi nachzuahmen?

Das ist die Frage, die sich in unserem Sinn auftaucht, wenn wir heute über die Lesung des Evangeliums nachdenken, die uns an diesem Heiligen Tag eröffnet wurde, damit diese hellen, persönlichen Überlegungen uns öfter besuchen. Denn so geschieht schrittweise die geistliche Bildung des Menschen. Je mehr wir denken, innerlich ertragen, je mehr uns das Evangelium plötzlich erleuchtet und uns mit seinen einfachen, aber tiefen Wahrheiten in Erstaunen versetzt, desto wichtiger ist es für unser geistliches Leben.

Gott segne alle lieben Brüder und Schwestern. Ich wünsche uns allen geistige Freude!

Predigt von Erzpriester Sergij Baburin vom 19.7.20

27.07.2020 | Thema: Predigt, Tagebuch |

Predigt von Vater Sergij vom 19.7.20

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Einen frohen Sonntag, liebe Brüder und Schwestern! Heute möchte ich ein
paar Worte sagen zu dem Auszug aus dem Römerbrief, den wir während der
Liturgie gehört haben. Apostel Paulus hat ihn an die Römer geschrieben.
Und zuerst muss man dazu sagen, dass die römische urchristliche Gemeinde
selbst für uns schon von großem Interesse ist. Denn einerseits war es
die größte Gemeinde, es war die Gemeinde der Hauptstadt des Römischen
Reichs. Und es war die Gemeinde, die die Hinrichtung der Apostelfürsten
Petrus und Paulus mitgekriegt hatten. Und anderseits war es eine der
ersten Gemeinden, die vollständig aus Heiden bestand. Wir wissen aus der
antiken Kirchengeschichte, dass die ersten christlichen Gemeinden
gewöhnlich auf der Grundlage verschiedener Synagogen gebildet wurden.
Die jüdische Diaspora war riesig und konzentrierte sich in allen großen
Städten des Römischen Reichs in Synagogen. Und gewöhnlich kamen die
Apostel eben an diese Orte und predigten in ihrer Muttersprache den
eigenen Leuten von Christus. Dabei stützten sie sich auf prophetische
Schriften, die allen Teilnehmern wohl bekannt und teuer waren. Die
römische Gemeinde war anders, denn anfangs, ja, da gab es in ihr noch
viele Juden. Aber wir wissen aus der Geschichte, dass im Jahre 50 der
Imperator Claudius alle Juden aus Rom vertrieben hat. Deswegen bestand
diese Gemeinde fortan ausschließlich aus Heiden. Für diese Menschen
musste die Lehre von Christus auf ganze andere Art aufbereitet werden.
In dem Sinne, dass, ungeachtet dessen, dass Er im jüdischen Volk geboren
wurde und Teil war dieser interessanten und an Kultur reichen Ethnie, Er
trotzdem außerhalb jeglicher Ethnie eine universelle Lehre verbreitete,
die sich an die Seele und das Bewusstsein eines jeden Menschen richtet,
unabhängig von seiner Nationalität. Apostel Paulus konnte, obwohl er
sein Leben in Rom beendet hat, sich in Rom nicht oft aufhalten. Darum
enthält der Römerbrief auf bestimmte Weise in Kurzform, thesenhaft die
ganze christliche Grundlehre, so, wie Apostel Paulus sie verstand und
den Menschen brachte. Deshalb ist der Römerbrief besonders interessant,
denn er enthält sein Bekenntnis zu Christus. Noch für das heutige
Bewusstsein ist das 12. Kapitel, das wir heute gehört haben, ein
erbauliches. Nach der Klärung einiger schwieriger Momente, erbaut
Apostel Paulus die Gemeinde. Er erbaut sie, damit sie in Frieden lebe,
dass kein Streit herrsche, es keine Konkurrenz gebe. Denn das ist die
hauptstädtische Gemeinde. Das sind wohlhabende, gebildete Menschen, die
es gewohnt waren, ihr tägliches Leben in Konkurrenz um Vorherrschaft und
Macht zu verbringen. Und all diese Prozesse beginnen auch in dieser
urchristlichen römischen Gemeinde. Für uns ist das sehr wichtig, denn
wir verstehen, dass die Probleme, die diese antike Gemeinde hatte, auch
wir haben. Der Mensch hat sich nicht besonders verändert in dieser Zeit.
Apostel Paulus beginnt das 12. Kapitel damit, dass wir alle es nötig
haben, uns selbst vollkommen zu einem reinen Opfer zu umzubilden.
Dieses Selbstverständnis, das uns Apostel Paulus vorschlägt, ist für
sich genommen schon sehr besonders und bemerkenswert. Denn ein Opfer
wird Gott rein gegeben, und das, was Gott gegeben wurde, das ist schon
Seins, göttlich geworden. Und Apostel Paulus schlägt jedem von uns vor,
dass wir uns fühlen sollen, als würden wir selbst Gott geopfert werden.
Wir gehören schon nicht mehr uns selbst, sondern Gott, wie er an einer
anderen Stelle sagt: „teuer erworben“. (Kor. 6,20) Darüber, was es
bedeutet ein Opfer Gottes zu sein, schreibt auch der Heilige Johannes
Chrysostomus. Als reines Opfer müssen wir auch unsere Augen, so heißt es
dort, vom Bösen und Unreinen abwenden. Dann wird die Tätigkeit unserer
Augen zum reinen Opfer. Unsere Worte, unsere Lippen, müssen das Gute
aussprechen, das Segensreiche, Rettende und Friedliche. Dann wird unser
Mund zur Darbringung des Opfers. Unsere Hände müssen sich nach dem Guten
ausstrecken. Dann werden sie zum Brandopfer. Aber er bleibt nicht dabei
stehen. Natürlich ist das Opfer im traditionellen Verständnis schon von
toter Substanz. Auch wenn es ein reines Opfer war, so wurde es doch,
bevor es geopfert wurde, getötet. Wir aber sind ein lebendiges Opfer.
Und darum müssen wir Leben schaffen. Nicht nur das Böse meiden, sondern
im Gegenteil, so sagt er, sollen unsere Lippen Gutes und Segensreiches,
unsere Hände Licht verbreiten und unsere Ohren Gottes Wort vernehmen
lernen. In so bildhafter Sprache schreibt der Heilige Johannes
Chrysostomus über dieses Fragment des Paulusbriefes.
Weiter schreibt er auch sehr interessant im Widerschein eines alten
Streits. Denn auch heute gibt es, wie ihr wisst, eine Menge christlicher
charismatischer Gemeinden. Für unser Bewusstsein ist das natürlich
schwer mit anzusehen, wie Menschen in Wahnsinn verfallen, beginnen zu
schreien, seltsame Handlungen auszuführen, Laute von sich zu geben, und
das dann Wirkungen des Heiligen Geistes nennen, meinen, dass der Geist
durch sie spreche. Natürlich können wir dieses Problem nicht einfach so
beiseite schieben. Denn in der Urkirche gab es so etwas. Was war das
denn damals? – Wir sehen, dass es eine Gabe der ersten Jahre der
christlichen Kirche war. Und wir erinnern uns, dass es in der
Apostelgeschichte heißt, dass jeder Mensch die Apostel und deren Sprache
verstand. Und wir verstehen aus der Apostelgeschichte heraus, dass diese
Gabe in der Urkirche den Menschen zeigen sollte, dass die Predigt sich
nicht auf eine Sprache beschränkt, auf eine Ethnie oder eine Kultur,
sondern dass jeder Mensch die Botschaft Christi in seiner Sprache hören
kann. Und sie haben sie gehört und verstanden. Trotzdem bleibt für uns
diese urchristliche Gabe wohl in ihrer umfassenden Bedeutung verborgen,
aber wir verstehen, wenn wir diese Schriften lesen, dass es einige
prinzipielle Momente gibt: wir sehen, dass es sich nicht immer um eine
fremde Sprache handelte. Oft waren es Unterweisungen in den Themen, die
für den Tag vorgesehen waren, Lesungen alter Propheten und Schriften,
von Menschen so vorgetragen, dass die Hörer spürten, dass in deren
Herzen der Heilige Geist wirksam war. Es war eine Form des Lehrens, eine
Erbauung aller Menschen. Es gab Momente, in denen ein Mensch tatsächlich
in einer besonderen Sprache sprach, und ein anderer dies deutete. Das
kann man auch finden als Erinnerung. Aber diese Gabe verschwindet sehr
schnell wieder in der Kirche. Und  schon Apostel Paulus sagt, indem er
sich auf eben diese Erscheinungen bezieht, dass alles gesittet und wohl
geordnet vor sich gehen solle. Denn oftmals verfielen die Menschen in
Aufruhr, wie man sich gut vorstellen kann, jeder begann herum zu
schreien, jeder wollte etwas sagen, und die allgemeine Struktur des
Gottesdienstes wurde verletzt. Deshalb verurteilt Apostel Paulus die
Christen, die sich dieser Gabe hingeben. Und in der heutigen Schrift,
und das ist sehr interessant, sagt Apostel Paulus, dass jeder Christ
seine besondere Gabe habe. Mit dieser Gabe soll er Gott dienen.
Natürlich hat keiner das Recht sich seiner Gabe zu rühmen, denn eine
Gabe ist eben eine Gabe, etwas Gegebenes, Geschenktes, und kein
persönliches Verdienst des Menschen. Interessanterweise nennt Apostel
Paulus nun als erste die Gabe der Prophetie, aber er sagt „er rede in
Übereinstimmung mit dem Glauben“ (Römer 12,6). Denn Apostel Paulus, als
diese Gabe noch existierte, und auch in der römischen Gemeinde noch
vorhanden war, begrenzt sie hiermit schon. Auch dort gab es Störungen.
Er sagt, Prophetie sei nicht einfach der Wunsch sich auszusprechen, mit
schöner Rede zu glänzen – denn es ist in der Hauptstadt, natürlich waren
die Menschen gebildet -, sondern es ist eine Gabe des Glaubens, tiefen
Glaubens. Und weiter schreibt er, dass es nicht möglich ist, damit
anzugeben, sich über andere zu erheben. Dieses verborgene Moment
enthüllt sich in dieser Botschaft, dass hier der Glaube zugrunde liegen
muss.
Aber ich würde wohl gerne den Text vorlesen (Römer 12,6-14), weil
bestimmte Dinge für uns hier sehr wichtig sind. Andere sind
unverständlich und bedürfen vielleicht einer Erläuterung:
„Hat einer die Gabe prophetischer Rede, dann rede er in Übereinstimmung
mit dem Glauben“. Diese Gabe verbindet Apostel Paulus also mit dem
Glauben, die anderen nicht. Er sagt, eben dies ist eine Frucht des
Glaubens, tiefen, echten, reinen und demütigen Glaubens.
„Hat einer die Gabe des Dienens, dann diene er.“ Das bezieht sich auf
das diakonische Dienen, so wie es Johannes Chrysostomus und andere
Gelehrte verstehen: ein Dienen der Kirche und dem Kirchlichen. Das ist
das Dienen im Gottesdienst, die die Diakone gehalten haben. Das ist das
Dienen zu Tisch, wenn eine gemeinsame Mahlzeit organisiert wurde. Das
ist das Dienen eben der Diakonie, die auch hier in Europa sehr beliebt
ist, der Dienst am Nächsten. Hierzulande nennt man dieses diakonische
Dienen den sozialen Dienst am Nächsten. All das zusammen umfasst dieser
Begriff: der Dienst entsteht im Dienen. Wenn du von Gott an diesen Ort
gestellt wurdest, dann gib dich dieser Aufgabe voll und ganz hin.
„Wer zum Lehren berufen ist, der lehre“. Das ist schon eine
priesterliche Funktion. Lehren in der Kirche, das konkrete Auslegen der
Schrift. Hier wird die nächste kirchliche Stufe angesprochen.
„Wer zum Trösten und Ermahnen berufen ist, der tröste und ermahne.“ Das
ist auch sehr interessant: die alten Gelehrten sind sich einig, dass
hier die alte geistliche Führung gemeint ist, die bis in unsere Zeit als
Tradition erhalten ist. Denn die Menschen, die einen Zugang zur
menschlichen Seele haben, können mahnen, trösten, den Weg weisen und den
Menschen darin bestärken. Und so sagt Apostel Paulus, gib dich ganz und
gar dem Dienst an den Abgründen der menschlichen Seele hin.
„Wer gibt, gebe ohne Hintergedanken {auf Russisch: in Einfachheit}“.
Auch ein interessanter Ausdruck: wer ist der, der gibt? Das sind die,
welche Almosen gaben. Aber nicht die eigenen. Sie verteilten die
Almosen, die die Gemeinde gesammelt und ihnen anvertraut hat, und ihrer
Obhut unterlag es, die Menschen herauszufinden, die der Mittel wirklich
bedurften, um sie ihnen als Hilfe der Allgemeinheit zu überbringen. Und
hier heißt es, gib „ohne Hintergedanken {in Schlichtheit}“. Denn
natürlich, und wir alle haben das, wenn ich etwas erhalten habe, möchte
ich es in einer gewissen Manier geben, mit Gefühl, als wäre es von einem
selbst. Und natürlich, so wird es schon immer gewesen sein, handeln die
Menschen, denen es obliegt ein Budget zu verwalten, nicht immer ohne
Hintergedanken. Und hier unterstreicht Apostel Paulus: es ist nicht
deins, daher gib es ohne Hintergedanken und einfach her. Suche nicht den
Dank der Beschenkten, denn er wird ja kommen: „Danke ihnen, aber wie
kann denn das sein, das wäre doch nicht…“ usw., nimm ihn nicht an und
auf dein Konto, auch wenn das sehr angenehm ist. Tue Gutes ohne
Hintergedanken!
„Wer Vorsteher ist, setze sich eifrig ein“. Das lasse ich ohne Kommentar
stehen.
„Wer Barmherzigkeit übt, der tue es freudig.“ Auch eine interessante
Sache. Wahrscheinlich hat das Jeder schon einmal in einer schwachen
Minute gehabt. Dass wir teilen wollen, etwas weggeben wollen und uns
sogar selbst das Versprechen geben, unbedingt jemandem etwas zu spenden:
der Kirche, den Armen, kinderreichen Familien oder entfernten
Verwandten. Aber wenn der Moment des Zahlens kommt, dann geht es uns oft
sehr schlecht damit. Weil Teilen jedes Mal einfach schwer ist. Schon
will man zumindest nicht gleich alles weggeben, sondern ein bisschen
zurückhalten. „Ich war im Überschwang der Gefühle vielleicht doch ein
wenig zu extrem…“. Natürlich ist das eine große Gabe. Darüber haben die
alten Väter in ihren Briefen an reiche Leute geschrieben: „Ihr seid
glückliche Menschen! Ihr habt etwas, was ihr geben könnt. Ihr habt
etwas, was ihr verlieren könnt, was ihr euch vom Herzen reißen könnt.
Wir haben nichts. Deshalb sind unsere Taten vor Gott weniger wert.“
Deshalb schreibt Apostel Paulus: tue freudig Gutes. Sei nicht geizig,
bereue es nicht, gib es weg und freue dich! Es ist seliger zu geben als
zu nehmen. Auch das lesen wir bei diesem Apostel.
„Eure Liebe sei ohne Heuchelei.“
„Verabscheut das Böse“. Das ist, wie ich finde, ein sehr wichtiger Satz
bei Apostel Paulus. Man kann das Böse meiden, sich bemühen nichts Böses
zu tun. Man kann es aber sogar verabscheuen. Das sind unterschiedliche
Begriffe. Das heißt, das Böse muss uns widerwärtig werden, wir müssen es
hassen, es muss uns schütteln vor Abscheu. Darüber spricht er. Wir
müssen dem Bösen fremdartig werden. Sodass wir, jedes Mal, wenn wir uns
böse fühlen, wir sofort eine Gegenreaktion in uns spüren müssen. Und
auch von Anderen das Böse nicht annehmen müssen, wobei wir sie nicht
unbedingt verurteilen brauchen. „Verabscheut das Böse“, wendet euch ab
von ihm, „haltet fest am Guten!“, werdet mehr und mehr vollständig eins
mit dem Guten.
„Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan“. {in der russischen
Übersetzung ist diesen Worten hinzugefügt: „mit Zärtlichkeit“}. Hier
braucht es wirklich keine besondere Deutung, denn alles ist einfach,
verständlich und logisch.
„Übertrefft euch in gegenseitiger Achtung!“ Bemüht euch die ersten zu
sein in der Achtung der Anderen gegenüber, im achtungsvollen,
ehrfürchtigen Miteinander. Grobheit ist leider Teil unserer Natur. Wir
lieben scharfe Worte und Konflikte. Und wieder spricht Apostel Paulus zu
uns einfach und allgemein verständlich: „übertrefft euch in
gegenseitiger Achtung!“. Das soll ein Maß sein für das soziale
christliche Leben, tiefste gegenseitige Achtung.
„Lasst nicht nach in eurem Eifer“. Im Eifer Gutes zu tun.
„Lasst euch vom Geist entflammen“. Was für eine wundervolle Poesie in
den Worten des Apostel Paulus! Man fühlt richtig, wie diese Worte in der
Originalsprache in hohem poetischen Stil gesagt sind. Noch in der
Übersetzung fühlt man ihn: „lasst euch vom Geist entflammen“! Das
geistliche Leben muss uns alle entflammen lassen, uns erwärmen. Es ist
das Wichtigste im Leben. Und diese erstaunlichen Worte im Anschluss:
„und dient dem Herrn!“. Viele stolpern über den Ausdruck „Knecht oder
Diener Gottes“. Was ist das für eine Dienerschaft, Knechtschaft, was für
ein Sklaventum habt ihr da in der Kirche installiert? Um die Kirche
herum alles frei, und bei euch hier Knechtschaft. Das ist genau das:
Knecht Gottes {auf russisch „rab Bozchij“, Diener Gottes, kann auch
Sklave Gottes heißen, wobei „rab“, denselben Wortstamm hat wie z.B.
„rabotat´“ – arbeiten} ist der Diener Gottes, der sich als Diener Gottes
auf Erden fühlt, als Ausführender, als Seine Hände in dieser Welt.
„Seid fröhlich in der Hoffnung“. Oft vergessen wir diesen Satz.
„Geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“, „beharrlich im
Gebet!“.  Ohne Kommentar. Mit einem tiefen Seufzer nehmen wir diesen
Satz in unser Herz auf.
„Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind;“. Die Rede ist von Kollekten
für arme Gemeinden, die Apostel Paulus bekanntermaßen vornahm für
Gemeinden in Judäa, im Heiligen Land, denn diese wurden gewöhnlich
verfolgt und waren sehr arm, weswegen ihnen andere Gemeinden Hilfe
zukommen ließen.
„Gewährt jederzeit Gastfreundschaft!“ Das ist auch ein sehr wichtiges
Moment, dass Gastfreundschaft heißt, Reisende aufzunehmen, Armen und
Hilfsbedürftigen zu helfen. Und Apostel Paulus schreibt {in der
russischen Übersetzung}: eifert, jederzeit Gastfreundschaft zu gewähren.
Was heißt hier „eifert“? – Echte Not wird niemals selbst laut „hier!“
schreien. Sie wird niemanden festhalten und dann verfluchen, wie es hier
bei uns vor der Kirche gerade ein Mensch tut. Echte Not versteckt sich
eher. Daher muss ein Christ sie mit Eifer suchen, um sie aufzudecken,
die echte Not, um dem zu helfen, der Hilfe wirklich braucht. Das
erfordert großen menschlichen Eifer und Fleiß.
„Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht!“. Hier auch,
bestimmt jeder Zweite hier bei uns, kommt zur Beichte und sagt: „Ich
verfluche die Politiker“. Der Eine verflucht Putin, der Andere Medvedev,
der Dritte Trump, der Vierte hat sich noch irgendeinen Feind ausgedacht.
Wozu braucht ein Christ das?  Zumal das Menschen sind, die an der Macht
sind. Mit ihnen wird der Herr besonders hart ins Gericht gehen. Von
ihren Entscheidungen hängt Vieles in unserem Leben ab, ob es ein Leben
in Frieden sein wird, oder nicht. Deshalb beten wir, dass Gott sie
erleuchte, aufhalte/bremse/anhalte oder aufkläre. Natürlich kommt es uns
selbst oft so vor, als wären wir Politiker. Wenn man mal so liest in
einem sozialen Netzwerk, dann sind alle deine Freunde Politiker.
Verändert sich die Situation, werden alle Spezialisten für Viren.
Augenblicklich werden alle Profis, geben Ratschläge, wissen es natürlich
besser, wie es zu sein hat. Davon muss man sich fern halten. Ein Christ
kann keine Feinde haben. Er darf keinen hassen. Er muss segnen. Und wenn
er keine Kraft hat zu segnen, dann möge er wenigstens schweigen. Die
Verfolger, unterstreicht und wiederholt Apostel Paulus, verflucht nicht,
sondern segnet sie! Denn auch sie sind sich nicht bewusst, was sie tun
und leben vielleicht im Glauben, sie seien die Vollstrecker eines
allumfassenden Gerichts. Letztlich sind aber auch sie eine Waffe in den
Händen der Vorsehung, manchmal auch einer göttlichen Heimsuchung.
Deshalb schreibt Paulus: „segnet“! Das bezieht sich natürlich auch auf
die Menschen, die uns in unserem einfachen Alltag nicht wohlgesinnt
sind. Wir müssen uns von allem Hass befreien. Als Beispiel möchte ich,
auch wenn ich weiß, dass ich euch schon sehr strapaziert habe, ganz kurz
aus der Liste der Heiligen, derer heute gedacht wird, die Heilige Lucia
nennen. Sie hat ein äußerst interessantes Beispiel gegeben. Sie war
Christin, eine reiche junge Frau. Sie wurde gefangen genommen von
irgendeinem germanischen Krieger, einem Hauptmann. Der hat sie
mitgenommen in sein Haus. Er dachte, sie würde seine Dienerin werden.
Natürlich vollzog er zuhause irgendwelche heidnischen germanischen
Kulthandlungen – das Ganze findet zu Beginn des 4. Jh. statt – und er
erwartet jetzt von ihr, da sie nun mal als Sklavin gefangen gehalten
wurde, dass sie gemeinsam mit ihm Opfer darbringen solle. Sie sagt:
„Nein. Lieber sterben, aber ich werde deinen Göttern keine Opfer
darbringen.“ Für ihn als Soldat war das interessant. Denn diese Menschen
hatten ja ständig den Tod vor Augen und hatten panische Angst vor ihm.
Und hier ist ein Mensch, der keine Angst vor dem Tod hat. Lieber
sterben, aber dem eigenen Glauben treu bleiben. Das hat ihm Respekt
eingeflößt. Dann begann er sie zu beobachten, und wirklich, dieser
Mensch betet tief und irgendwie sehr innig. Er stellt ihr ein kleines
separates Häuschen zur Verfügung auf seinem großen Hof, überlässt ihr
ihre Dienerinnen, die er gemeinsam mit ihr gefangen genommen hatte und
gibt ihr noch einige von den eigenen dazu, und sagt: „In eurem Häuschen
da könnt ihr beten. Und betet besonders auch für mich, wenn ich auf
Feldzügen unterwegs bin.“ Er war Berufssoldat, der viel in den
unterschiedlichsten Armeen kämpfte und immer wieder auf Feldzügen war.
Und Lucia also sollte für ihn beten. Und sie betete. Immer. Und er kam
heil wieder, jedes Mal, mit großem Lohn, und freute sich sehr darüber,
dass er jetzt in seinem Haus eine solch tüchtige Bittstellerin hatte.
Aber dann erreicht sie die Nachricht, dass wieder einmal eine Zeit der
Verfolgungen beginnt. Diokletian begann die Christen zu verfolgen. Sie
sagt zu ihm: „Das war´s. Ich habe bei dir gelebt, ich habe für dich
gebetet, aber jetzt gehe ich.“ „Wohin?“ „Nach Rom.“ „Warum?“ „Ich will
sterben, gemeinsam mit den Christen, die dort hingerichtet werden.“ „Ich
gehe mit dir.“ Dieser Mensch hat sein Haus verlassen, seine Familie,
seinen großen Hof, um sich das anzusehen. Er ging sich das ansehen,
begeisterte sich und starb zusammen mit ihr. So eine überwältigende
Heiligenvita. Er war ihr Verfolger, hat sie gefangen genommen, nahm ihr
die Heimat, das Land, die Freunde, die Gemeinde, in der sie lebte, ein
schrecklicher Mensch. Sie hat für ihn gebetet. Und das ist die Frucht:
heute verehren wir diese beiden zusammen als Heilige, die Heilige
Märtyrerin Lucia und Rix, diesen germanischen Hauptmann, der von den
Großtaten dieser jungen Frau so berührt war, dass er selbst beschloss
gemeinsam mit ihr sein Leben für Christus zu opfern. Das ist eine
wunderbare Illustration, wie wir diejenigen segnen sollen, die uns nicht
wohlgesinnt sind. Manchmal wissen die Menschen selbst nicht, was sie
tun, manchmal sind sie blind und können nicht an sich halten, vielleicht
weil sie selbst eine schwere Kindheit hatten oder durch irgendeine
innere Problemhaftigkeit. Aber wir müssen sie und die ganze Situation in
unser Herz nehmen, Mitleid mit diesen Menschen haben, sie nicht
verfluchen und beten. Und wir sehen, wie das Gebet Wunder wirkt, wie es
uns selbst verändert, alle die ändert, die uns heute hassen und morgen
vielleicht schon bereit sind, mit uns in den Tod zu gehen für den
Wiederstandenen Christus.
Beschütze uns alle der Herr, liebe Brüder und Schwestern, Gottes Segen
euch allen!

Predigt vom 5.7.2020 von Vater Pavel

23.07.2020 | Thema: Tagebuch |

Ich gratuliere Euch an diesem Sonntag zu Eurer Teilnahme an der Liturgie
und zu eurer Teilhabe am Heiligen Leib und Blut unseres Herrn Jesus
Christus!

Die Fastenzeit geht noch eine Woche weiter bis zum nächsten Sonntag, an
dem den Apostelfürsten Petrus und Paulus gedacht werden. Da das Fasten
den Aposteln gewidmet ist, müssen wir uns in der Zeit mit den Schriften
der Apostel befassen.
So wurde heute in der Liturgie eine Passage aus dem Brief des Paulus an
die Römer gelesen. (Röm. 6, 18-23) Im 6. Kapitel berichtet uns Apostel
Paulus über die Taufe (Kapitel 6 wird immer bei der Taufe gelesen,
deswegen empfehle ich Euch, das Kapitel aufzufrischen). Dieser Abschnitt
aus dem Kapitel 6, den wir heute gehört haben, ist eine
Weiterentwicklung des Gedankens des Apostels über die Gnade dieses
Sakraments: den Glauben, die Gaben und darüber, wie der Mensch an seiner
Errettung teilhaben soll und was die Teilhabe Gottes an seinem Leben
ist.
Und nun sind zweitausend Jahre vergangen, und die meisten derer, die das
Evangelium gehört haben, nehmen die Taufe an.
Wir wissen, dass ein getaufter Mensch je nach Epoche, Zeit und
verschiedenen familiären Zustände unterschiedlich zu leben beginnt.

Und das ist nicht einmal eine Frage der Moral oder des Verdienstes. Der
Grund mag wohl darin liegen, dass jeder Christ einfach eine andere
Beziehung zu Gott hat.

Im heutigen Tagesevangelium (Mt. 8, 5-13) hörten wir darüber, wie ein
Hauptmann auf den Herrn zuging und Ihn bat, seinen Sohn zu heilen. Nach
Pfingsten hörten wir die Bergpredigt. In der Folge kommen Heilungen und
Gleichnisse. Und heute haben wir gehört, wie Christus aus der Ferne den
Sohn des Hauptmanns heilte.

Es ist für uns kein Wunder, dass Christus solch ein Wunder tun kann und
getan hat.
Der Geheilte war weder ein Hebräer, noch Jude, er hat nicht einmal an
den alleinigen Gott geglaubt. Sein Vater wandte sich einfach an den
berühmten Prediger und Heiler, und es ist erstaunlich, wie Christus sein
Wunder und den Glauben des Hauptmanns, d.h. seine Haltung gegenüber
Christus, kommentierte.

Der Herr sagt, dass viele, die sich selbst für wahre Gläubige halten,
d.h. die Hebräer, für die diese Religion grundlegend in ihrem Leben war,
Nachkommen Abrahams, in die äußere Finsternis gehen werden. Und viele,
die nicht Nachkommen Abrahams sind, werden in das Himmlische Königreich
eintreten und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch sitzen.

Der Herr teilt die Menschen und bestimmt, dass dem Träger der wahren
Religion das ewige Leben mit Gott nicht garantiert ist.
Es ist klar, dass das Evangelium lehrreich und die ganze Heilige Schrift
gotterfüllt ist.
Und wir wollen aus dem Gotteshaus für uns etwas mitnehmen, was uns
seelisch aufbaut. Aber es ist irgendwie sehr einfach: Wir erfüllen oder
versuchen, die kirchlichen Institutionen und göttlichen Gebote nach
besten Kräften zu erfüllen – wir tun es, weil die Heilige Schrift es
verlangt, so wie Gott es festgelegt hat. Er gab uns die Heilige Schrift
als eine Offenbarung, damit ein Gläubiger sie umsetzen kann. Und nun
hören wir, dass sich all dies nicht als Garantie, Bedingung und eine
Gelegenheit erweist, das ewige Leben mit Gott zu erwerben!

Wir wollen das ewige Leben empfangen. Wir wollen, dass Gott uns auch in
diesem Leben hilft. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Aber Christus spricht immer wieder von einigen Prioritäten, nämlich dass
wir unser Leben hier, auf der Erde, richtig aufbauen müssen, wenn wir an
der Ewigkeit teilhaben wollen.
Es ist also eine schwierige Frage, wie man das erlernen kann.
Und dafür gibt es wahrscheinlich keine endgültigen Rezepte, obwohl Viele
darüber nachdenken, lehren und predigen. Vielleicht sollte man lernen,
wie man, bei sich selbst beginnend, im Leben die richtigen Prioritäten
setzen kann. Man sollte das Leben nach den göttlichen Geboten
ausrichten, nämlich allen gefallen, niemanden beleidigen und das
Christentum leben.

In der Kirche wird gelehrt: man solle nicht urteilen, beneiden, lügen
und keinen Meineid leisten. Wir versuchen diese Gebote umzusetzen. Und
dann stellt es sich heraus, dass es im selben Evangelium heißt, dass
alles nicht so einfach ist.

Dadurch werden neue Fragen aufgeworfen, die aber nicht schlimm sind.
Fragen sollen bleiben. Und wenn wir glauben, dass es jemanden gibt in
unserem Leben, der uns diese wichtigen Fragen beantwortet, so ist das
nicht der Fall. Es ist keine Schande, nach Antworten zu suchen. Und es
ist keine Schande, wenn man glaubt, etwas nicht zu wissen, auch wenn man
viel gelesen bzw. gelernt hat.
Man muss zu Gott beten und Ihn bitten, uns zu aller Wahrheit zu führen:
Wie kann ich mit meinen Schwächen und Sünden gerecht leben, und zwar
nicht allgemein, sondern heute und jetzt leben.
Denn es geht letztlich doch nicht ausschließlich darum zu lernen,
freundlich, großzügig und gerecht zu sein, weil wir im Evangelium sehen,
wie als erster der Räuber ins Paradies Einlass findet.

Aber wir sind so daran gewöhnt zu sagen: Siehe, ein Räuber, ein kluger
Räuber.

Aber ich denke, dass heute niemand so schnell froh wäre, wenn man sagen
würde, dass ein berühmter Gewaltverbrecher nicht nur rehabilitiert,
sondern auch mit einem Orden ausgezeichnet wurde, ganz zu schweigen vom
Himmelreich.
Und es stellt sich heraus, dass Gott im Evangelium nicht immer gute,
hübsche und gehorsame Menschen als Beispiel gegenüber denen gibt, die
ein volles religiöses Leben führen.

Ich denke, wir sollten das nicht nur wahrnehmen, sondern darüber tiefer
in Gedanken gehen.
Man soll immer im Gedächtnis haben und Gott danken, dass ich Christ bin
und dass ich versuche, auf die eine oder andere Weise nach den Geboten
zu leben. Doch ist mein Weg richtig? Es ist sehr wichtig, sich solche
Fragen zu stellen. Habe ich Recht mit meinen Überzeugungen, Positionen,
Lebensprinzipien?
Zweifel sind also sehr wichtig: Es ist wichtig, an sich selbst zu
zweifeln, am besten mit Ironie bzw. Humor. Sonst nehmen wir uns oft zu
ernst.
Christus hat uns Freude gebracht. Lass uns also darüber freuen, dass der
Herr uns bereits das ewige Leben geschenkt hat.
Uns ist nur eine kleine Angelegenheit geblieben: wie sollen wir uns all
dieses aneignen? Nur dank und mithilfe Seiner Verdienste, und nicht
durch unsere eigenen.
Amen.

Predigt vom 07.07.2020 von Priester Johann Sukhoniak

14.07.2020 | Thema: Predigt |

Hamburg, den 07.07.2020

Liebe Brüder und Schwestern,

ich möchte zwei Punkte/Dinge im Zusammenhang mit den Eltern von Johannes dem Täufer und dem Fest der Geburt Johannes des Täufers hervorheben.

Wie wir in der Heiligen Schrift lesen, waren die Eltern von Johannes dem Täufer gottesfürchtig, versuchten, das Gesetz Gottes zu erfüllen, und wandelten vor Gott, wurden aber mit Unfruchtbarkeit geprüft. Wir müssen von ihnen lernen, nicht den Mut zu verlieren und auch unser Kreuz auf uns zu nehmen. Der Herr segnete sie und gab ihnen die Gelegenheit, diese Schande auszulöschen. In den Zeiten des Alten Testaments wurde geglaubt, dass wenn eine Familie kein Kind hatte, jemand eine sehr schwere Sünde vor Gott begangen hatte. Deswegen machte der Herr sie unfruchtbar. Aber Gott macht es ein bisschen anders.

Wie der selige Theophylakt von Bulgarien sagt, schickte der Herr ihnen so spät ein Kind, damit sie ihr heißes Blut ruhig halten. Denn wenn eine Person von jungen aktiven Eltern geboren wird, ist das Kind ebenfalls aktiv. Und wenn ein Kind als zehntes oder fünfzehntes geboren wird, dann ist es schon ruhiger, weil seine Eltern in höherem Alter sind. Nach dem seligen Theophylakt von Bulgarien wird Johannes der Täufer eben für einen höheren geistlichen Zustand geboren, weil er eine besondere Mission hatte – die Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Herrn Jesus Christus.

Und dann ist noch sehr wichtig zu betonen, dass die Propheten sehr oft von Gott zu ihrem Dienst, zu ihrer Predigt berufen wurden. Aber was das Erscheinen dieses Propheten betrifft, hören wir auch eine Prophezeiung, was sehr überraschend ist. Ein Prophet spricht von einem anderen Propheten (so was war einmalig, nur von Johannes dem Täufer), dass ein Prophet in der Macht und Herrlichkeit des Elias kommen und sich auf die Ankunft des Herrn Jesus Christus vorbereiten wird.

In der Tat wurde Johannes der Täufer nur sechs Monate vor der Geburt des Herrn Jesus Christus geboren, einerseits ein Prophet und andererseits ein Verwandter. In der Heiligen Schrift lesen wir, dass er nicht nur ein Prophet, sondern ein Freund des Bräutigams ist. Das heißt, es handelt sich um eine besondere Wahrnehmung oder sozusagen um einen besonderen Titel und Rang, dass nicht nur irgendein Prophet, sondern ein sehr enger Vertrauter, wie ein Trauzeuge bei der Hochzeit kommen wird. Da ist der Bräutigam, da ist der Trauzeuge. Der Bräutigam ist Christus, und sein Freund ist Johannes der Täufer.

Und heute feiern wir das Andenken an diesen großen Heiligen, den Propheten. Wenn wir unseren orthodoxen Kalender öffnen und einen Blick auf die Gedenktage der Heiligen werfen, werden wir sehen, dass die orthodoxe Kirche die Geburt von nur drei Menschen feiert: die Geburt des Erlösers, die Geburt der Jungfrau Maria und die Geburt Johannes des Täufers. Die Geburtstage anderer Heiliger werden von der Kirche nicht gefeiert. In der orthodoxen christlichen Wahrnehmung wird der Tag des Übergangs eines Menschen von diesem Leben in die Ewigkeit stärker abgehoben. Dieser Tag ist der Tag seines Gedächtnisses und seiner Heiligenverehrung. Bis ins vierte Jahrhundert feierte niemand seinen Geburtstag, unter anderem auch Juden und Christen. Der Wendepunkt geht auf das vierte Jahrhundert zurück, als die Kirche die Menschenwerdung des Erlösers definierte. Im vierten Jahrhundert erscheint dann das Weihnachtsfest. Danach beginnen viele Christen, ihren Geburtstag zu feiern.

Der heilige Apostel und Evangelist Lukas sagt im Evangelium, dass die Gnade an Johannes dem Täufer groß sein wird, und dass er unter denen groß sein wird, die von Frauen geboren werden. In der Folge richtete die Kirche das Fest der Geburt Johannes des Täufers ein. Die Kirche verherrlicht diesen großen Heiligen, den großen Bußprediger, damit wir nicht einfach Buße tun, sondern versuchen, unsere Fehler, unsere Sünden, unsere geistlichen Vergehen (oder nicht nur geistliche Vergehen) zu erkennen und sie abzulehnen, uns mit der Hilfe Gottes zu bessern und auf eine erneuerte Weise zu leben. Gott gebe, dass wir nach dem Vorbild Johannes des Täufers, seiner christlichen Lebensweise versuchen, unsere krummen Wege zur Sünde zu korrigieren und sie auf Gott auszurichten, damit sie wirklich gerade sind. Möge uns das Beispiel der Buße, das Beispiel der Bekehrung Johannes des Täufers, seine Predigten, seine Großtaten als würdiges Beispiel dienen. Und besonders an diesem Tag, an dem wir seine Geburt feiern, lasst uns freuen, dass wir das Andenken an den Freund des Herrn, Johannes den Täufer, feiern.

Amen.

Priester Johann Sukhoniak

Predigt vom 28.6.2020 von Vater Henadzi Sar

3.07.2020 | Thema: Predigt |

Frohes Fest euch allen!

Heute haben wir aus dem Evangelium darüber gehört, wie der Herr sagt: „Kümmert euch nicht darum, was ihr esst und trinkt, sondern trachtet nach dem Himmelreich, denn ihr könnt nicht zwei Herren auf einmal dienen“, Gott und dem bösen Mammon. Diese Worte können manchmal missverstanden werden, und so kann man denken, dass wir uns um nichts kümmern müssen. Dabei es ist verlockend, ein reicher Mensch zu werden.  Aber wir hier, in der Kirche, sind normalerweise keine reichen Leute. Wir haben Familien und Eltern, die meistens schon in einem höheren Alter sind. Wir müssen sie und unsere Zukunft im Blick behalten und unser Leben so gestalten, dass es allen gut geht. Stellt diese Lebensansicht einen Widerspruch zu den Worten Christi dar, Der sagt, dass wir uns um nichts kümmern müssen? Ich glaube nicht, dass es hier einen Widerspruch gibt, denn Christus wollte nicht, dass man sich um nichts kümmert, sondern dass man sich in all diesen Gedanken nicht verliert.

Ich erinnere mich an eine Klostergeschichte, in der zwei Mönche, Brüder, im frühen Christentum, in die Wüste gingen, ein Haus bauten und in der ägyptischen Wüste lebten. Einer von ihnen dachte: „Ich werde wie ein Engel sein: Ich werde mich um nichts kümmern, sondern wie ein Engel leben – nur beten“, und er lief zur Nacht weg. In der Nacht aber wurde es kalt, da es eine Wüste war. Denn in der Wüste ist es tagsüber heiß und nachts kalt. Morgens kam er nach Hause und klopfte an die Tür. Sein Bruder antwortet ihm: „Wer ist da?“ Der Mönch sagt: „Ich bin’s, dein Bruder“. Dann antwortet ihm der Bruder: „Das kann nicht sein. Du bist eine Versuchung, ein Dämon, denn mein Bruder ist ein Engel“.

„Öffne doch die Tür. Ich sterbe vor Kälte“. „Das kann nicht sein. Mein Bruder fühlt sich weder kalt noch hungrig.“ Schließlich hat er, der arme Mann, gebetet und gefastet, und die Mönche ließen ihn herein, ließen ihn sich aufwärmen und gaben ihm etwas zu essen.

Ich habe das Beispiel dafür, wie extrem man die Worte des Erlösers verdrehen kann, deswegen gegeben, weil wir uns manchmal willkürlich ausdenken, wie etwas sein soll, ohne eine gründliche Erfahrung darin zu haben.

Diese Frage ist tatsächlich interessant: wie soll das gehen?

Man muss seinen eigenen Lebensweg kennen, ihm folgen und seine Pflichten erfüllen, aber man darf nicht vergessen, dass es tiefere Dinge im Leben gibt.

Ist es möglich, sich an etwas zu erinnern, ohne dieses vorher zu erfahren? Das heißt, ohne vorher die Gnade Gottes zu erfahren, die es uns erlaubt, die Welt als etwas Unwichtiges im Vergleich zur Tiefe, zu tieferen Dingen zu sehen?

Es scheint mir persönlich, dass die theoretische Erkenntnis dieses Geheimnisses und die Entdeckung dieser Tiefe, vorausgehen, und die Praxis, wie man diese Tiefe selbst erreicht, später kommt. Zuerst verstehen wir also, dass es eine Tiefe gibt, und dann machen wir uns bewusst auf den Weg zu dieser Tiefe. Es scheint mir ein großer Fehler zu sein, wenn wir, ohne nähere Kenntnis dieser Tiefe versuchen selbst herauszufinden, welche Art von Leistung und Verhalten zu dieser Leidenschaftslosigkeit und Sorglosigkeit führen.

Jetzt erinnere ich mich an eine andere Geschichte, es war in Ägypten, als dort Christen lebten, als ein junger Mönch, es war ein junger Mann aus einer Großstadt und einer reichen Familie, zu einem älteren Mönch und Starez kam. Dieser behielt ihn dort für einige Zeit (vielleicht ein oder zwei Monate, vielleicht ein oder zwei Jahre) und schickte ihn dann zurück in die Stadt, wo er in einer Familie reicher Eltern gelebt hatte, wo er bedeutsam und herausragend gewesen war. Gleichzeitig hatte ihm der Starez nun angeordnet, dort auf der Straße zu bleiben und um Almosen zu bitten. Für den jungen Mann war es natürlich eine Menge Stress, denn er musste arm, unfreiwillig und bespuckt dorthin zurückkehren, wo er früher großartig gewesen war.

Tatsächlich litt der Arme zunächst mehrere Jahre lang und beruhigte sich dann. Den Rest der Geschichte kenne ich nicht. Aber vielleicht ist es eine Bestätigung, dass man auf diese Weise innere Demut und Stille finden kann?!

Andererseits sagt diese Geschichte nicht aus, was dieser Mönch erlebt hat, bevor er in die Wüste kam.

Hilf uns, Herr, dass wir uns um nichts kümmern müssen, und noch besser, dass wir genug Geld zum Leben haben, und dass dabei auch das geistliche Leben gut verläuft.

Herr, hilf uns allen!


Adresse: Tschaikowskyplatz 1, 20355 Hamburg + Telefon (040) 248 70740 | Pfarrer: Priester Sergij Baburin + Telefon (0173) 23 11 055
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