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Tagesbuch

Predigt von Erzpriester Sergij Baburin vom 19.7.20

27.07.2020 | Thema: Predigt, Tagebuch |

Predigt von Vater Sergij vom 19.7.20

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Einen frohen Sonntag, liebe Brüder und Schwestern! Heute möchte ich ein
paar Worte sagen zu dem Auszug aus dem Römerbrief, den wir während der
Liturgie gehört haben. Apostel Paulus hat ihn an die Römer geschrieben.
Und zuerst muss man dazu sagen, dass die römische urchristliche Gemeinde
selbst für uns schon von großem Interesse ist. Denn einerseits war es
die größte Gemeinde, es war die Gemeinde der Hauptstadt des Römischen
Reichs. Und es war die Gemeinde, die die Hinrichtung der Apostelfürsten
Petrus und Paulus mitgekriegt hatten. Und anderseits war es eine der
ersten Gemeinden, die vollständig aus Heiden bestand. Wir wissen aus der
antiken Kirchengeschichte, dass die ersten christlichen Gemeinden
gewöhnlich auf der Grundlage verschiedener Synagogen gebildet wurden.
Die jüdische Diaspora war riesig und konzentrierte sich in allen großen
Städten des Römischen Reichs in Synagogen. Und gewöhnlich kamen die
Apostel eben an diese Orte und predigten in ihrer Muttersprache den
eigenen Leuten von Christus. Dabei stützten sie sich auf prophetische
Schriften, die allen Teilnehmern wohl bekannt und teuer waren. Die
römische Gemeinde war anders, denn anfangs, ja, da gab es in ihr noch
viele Juden. Aber wir wissen aus der Geschichte, dass im Jahre 50 der
Imperator Claudius alle Juden aus Rom vertrieben hat. Deswegen bestand
diese Gemeinde fortan ausschließlich aus Heiden. Für diese Menschen
musste die Lehre von Christus auf ganze andere Art aufbereitet werden.
In dem Sinne, dass, ungeachtet dessen, dass Er im jüdischen Volk geboren
wurde und Teil war dieser interessanten und an Kultur reichen Ethnie, Er
trotzdem außerhalb jeglicher Ethnie eine universelle Lehre verbreitete,
die sich an die Seele und das Bewusstsein eines jeden Menschen richtet,
unabhängig von seiner Nationalität. Apostel Paulus konnte, obwohl er
sein Leben in Rom beendet hat, sich in Rom nicht oft aufhalten. Darum
enthält der Römerbrief auf bestimmte Weise in Kurzform, thesenhaft die
ganze christliche Grundlehre, so, wie Apostel Paulus sie verstand und
den Menschen brachte. Deshalb ist der Römerbrief besonders interessant,
denn er enthält sein Bekenntnis zu Christus. Noch für das heutige
Bewusstsein ist das 12. Kapitel, das wir heute gehört haben, ein
erbauliches. Nach der Klärung einiger schwieriger Momente, erbaut
Apostel Paulus die Gemeinde. Er erbaut sie, damit sie in Frieden lebe,
dass kein Streit herrsche, es keine Konkurrenz gebe. Denn das ist die
hauptstädtische Gemeinde. Das sind wohlhabende, gebildete Menschen, die
es gewohnt waren, ihr tägliches Leben in Konkurrenz um Vorherrschaft und
Macht zu verbringen. Und all diese Prozesse beginnen auch in dieser
urchristlichen römischen Gemeinde. Für uns ist das sehr wichtig, denn
wir verstehen, dass die Probleme, die diese antike Gemeinde hatte, auch
wir haben. Der Mensch hat sich nicht besonders verändert in dieser Zeit.
Apostel Paulus beginnt das 12. Kapitel damit, dass wir alle es nötig
haben, uns selbst vollkommen zu einem reinen Opfer zu umzubilden.
Dieses Selbstverständnis, das uns Apostel Paulus vorschlägt, ist für
sich genommen schon sehr besonders und bemerkenswert. Denn ein Opfer
wird Gott rein gegeben, und das, was Gott gegeben wurde, das ist schon
Seins, göttlich geworden. Und Apostel Paulus schlägt jedem von uns vor,
dass wir uns fühlen sollen, als würden wir selbst Gott geopfert werden.
Wir gehören schon nicht mehr uns selbst, sondern Gott, wie er an einer
anderen Stelle sagt: „teuer erworben“. (Kor. 6,20) Darüber, was es
bedeutet ein Opfer Gottes zu sein, schreibt auch der Heilige Johannes
Chrysostomus. Als reines Opfer müssen wir auch unsere Augen, so heißt es
dort, vom Bösen und Unreinen abwenden. Dann wird die Tätigkeit unserer
Augen zum reinen Opfer. Unsere Worte, unsere Lippen, müssen das Gute
aussprechen, das Segensreiche, Rettende und Friedliche. Dann wird unser
Mund zur Darbringung des Opfers. Unsere Hände müssen sich nach dem Guten
ausstrecken. Dann werden sie zum Brandopfer. Aber er bleibt nicht dabei
stehen. Natürlich ist das Opfer im traditionellen Verständnis schon von
toter Substanz. Auch wenn es ein reines Opfer war, so wurde es doch,
bevor es geopfert wurde, getötet. Wir aber sind ein lebendiges Opfer.
Und darum müssen wir Leben schaffen. Nicht nur das Böse meiden, sondern
im Gegenteil, so sagt er, sollen unsere Lippen Gutes und Segensreiches,
unsere Hände Licht verbreiten und unsere Ohren Gottes Wort vernehmen
lernen. In so bildhafter Sprache schreibt der Heilige Johannes
Chrysostomus über dieses Fragment des Paulusbriefes.
Weiter schreibt er auch sehr interessant im Widerschein eines alten
Streits. Denn auch heute gibt es, wie ihr wisst, eine Menge christlicher
charismatischer Gemeinden. Für unser Bewusstsein ist das natürlich
schwer mit anzusehen, wie Menschen in Wahnsinn verfallen, beginnen zu
schreien, seltsame Handlungen auszuführen, Laute von sich zu geben, und
das dann Wirkungen des Heiligen Geistes nennen, meinen, dass der Geist
durch sie spreche. Natürlich können wir dieses Problem nicht einfach so
beiseite schieben. Denn in der Urkirche gab es so etwas. Was war das
denn damals? – Wir sehen, dass es eine Gabe der ersten Jahre der
christlichen Kirche war. Und wir erinnern uns, dass es in der
Apostelgeschichte heißt, dass jeder Mensch die Apostel und deren Sprache
verstand. Und wir verstehen aus der Apostelgeschichte heraus, dass diese
Gabe in der Urkirche den Menschen zeigen sollte, dass die Predigt sich
nicht auf eine Sprache beschränkt, auf eine Ethnie oder eine Kultur,
sondern dass jeder Mensch die Botschaft Christi in seiner Sprache hören
kann. Und sie haben sie gehört und verstanden. Trotzdem bleibt für uns
diese urchristliche Gabe wohl in ihrer umfassenden Bedeutung verborgen,
aber wir verstehen, wenn wir diese Schriften lesen, dass es einige
prinzipielle Momente gibt: wir sehen, dass es sich nicht immer um eine
fremde Sprache handelte. Oft waren es Unterweisungen in den Themen, die
für den Tag vorgesehen waren, Lesungen alter Propheten und Schriften,
von Menschen so vorgetragen, dass die Hörer spürten, dass in deren
Herzen der Heilige Geist wirksam war. Es war eine Form des Lehrens, eine
Erbauung aller Menschen. Es gab Momente, in denen ein Mensch tatsächlich
in einer besonderen Sprache sprach, und ein anderer dies deutete. Das
kann man auch finden als Erinnerung. Aber diese Gabe verschwindet sehr
schnell wieder in der Kirche. Und  schon Apostel Paulus sagt, indem er
sich auf eben diese Erscheinungen bezieht, dass alles gesittet und wohl
geordnet vor sich gehen solle. Denn oftmals verfielen die Menschen in
Aufruhr, wie man sich gut vorstellen kann, jeder begann herum zu
schreien, jeder wollte etwas sagen, und die allgemeine Struktur des
Gottesdienstes wurde verletzt. Deshalb verurteilt Apostel Paulus die
Christen, die sich dieser Gabe hingeben. Und in der heutigen Schrift,
und das ist sehr interessant, sagt Apostel Paulus, dass jeder Christ
seine besondere Gabe habe. Mit dieser Gabe soll er Gott dienen.
Natürlich hat keiner das Recht sich seiner Gabe zu rühmen, denn eine
Gabe ist eben eine Gabe, etwas Gegebenes, Geschenktes, und kein
persönliches Verdienst des Menschen. Interessanterweise nennt Apostel
Paulus nun als erste die Gabe der Prophetie, aber er sagt „er rede in
Übereinstimmung mit dem Glauben“ (Römer 12,6). Denn Apostel Paulus, als
diese Gabe noch existierte, und auch in der römischen Gemeinde noch
vorhanden war, begrenzt sie hiermit schon. Auch dort gab es Störungen.
Er sagt, Prophetie sei nicht einfach der Wunsch sich auszusprechen, mit
schöner Rede zu glänzen – denn es ist in der Hauptstadt, natürlich waren
die Menschen gebildet -, sondern es ist eine Gabe des Glaubens, tiefen
Glaubens. Und weiter schreibt er, dass es nicht möglich ist, damit
anzugeben, sich über andere zu erheben. Dieses verborgene Moment
enthüllt sich in dieser Botschaft, dass hier der Glaube zugrunde liegen
muss.
Aber ich würde wohl gerne den Text vorlesen (Römer 12,6-14), weil
bestimmte Dinge für uns hier sehr wichtig sind. Andere sind
unverständlich und bedürfen vielleicht einer Erläuterung:
„Hat einer die Gabe prophetischer Rede, dann rede er in Übereinstimmung
mit dem Glauben“. Diese Gabe verbindet Apostel Paulus also mit dem
Glauben, die anderen nicht. Er sagt, eben dies ist eine Frucht des
Glaubens, tiefen, echten, reinen und demütigen Glaubens.
„Hat einer die Gabe des Dienens, dann diene er.“ Das bezieht sich auf
das diakonische Dienen, so wie es Johannes Chrysostomus und andere
Gelehrte verstehen: ein Dienen der Kirche und dem Kirchlichen. Das ist
das Dienen im Gottesdienst, die die Diakone gehalten haben. Das ist das
Dienen zu Tisch, wenn eine gemeinsame Mahlzeit organisiert wurde. Das
ist das Dienen eben der Diakonie, die auch hier in Europa sehr beliebt
ist, der Dienst am Nächsten. Hierzulande nennt man dieses diakonische
Dienen den sozialen Dienst am Nächsten. All das zusammen umfasst dieser
Begriff: der Dienst entsteht im Dienen. Wenn du von Gott an diesen Ort
gestellt wurdest, dann gib dich dieser Aufgabe voll und ganz hin.
„Wer zum Lehren berufen ist, der lehre“. Das ist schon eine
priesterliche Funktion. Lehren in der Kirche, das konkrete Auslegen der
Schrift. Hier wird die nächste kirchliche Stufe angesprochen.
„Wer zum Trösten und Ermahnen berufen ist, der tröste und ermahne.“ Das
ist auch sehr interessant: die alten Gelehrten sind sich einig, dass
hier die alte geistliche Führung gemeint ist, die bis in unsere Zeit als
Tradition erhalten ist. Denn die Menschen, die einen Zugang zur
menschlichen Seele haben, können mahnen, trösten, den Weg weisen und den
Menschen darin bestärken. Und so sagt Apostel Paulus, gib dich ganz und
gar dem Dienst an den Abgründen der menschlichen Seele hin.
„Wer gibt, gebe ohne Hintergedanken {auf Russisch: in Einfachheit}“.
Auch ein interessanter Ausdruck: wer ist der, der gibt? Das sind die,
welche Almosen gaben. Aber nicht die eigenen. Sie verteilten die
Almosen, die die Gemeinde gesammelt und ihnen anvertraut hat, und ihrer
Obhut unterlag es, die Menschen herauszufinden, die der Mittel wirklich
bedurften, um sie ihnen als Hilfe der Allgemeinheit zu überbringen. Und
hier heißt es, gib „ohne Hintergedanken {in Schlichtheit}“. Denn
natürlich, und wir alle haben das, wenn ich etwas erhalten habe, möchte
ich es in einer gewissen Manier geben, mit Gefühl, als wäre es von einem
selbst. Und natürlich, so wird es schon immer gewesen sein, handeln die
Menschen, denen es obliegt ein Budget zu verwalten, nicht immer ohne
Hintergedanken. Und hier unterstreicht Apostel Paulus: es ist nicht
deins, daher gib es ohne Hintergedanken und einfach her. Suche nicht den
Dank der Beschenkten, denn er wird ja kommen: „Danke ihnen, aber wie
kann denn das sein, das wäre doch nicht…“ usw., nimm ihn nicht an und
auf dein Konto, auch wenn das sehr angenehm ist. Tue Gutes ohne
Hintergedanken!
„Wer Vorsteher ist, setze sich eifrig ein“. Das lasse ich ohne Kommentar
stehen.
„Wer Barmherzigkeit übt, der tue es freudig.“ Auch eine interessante
Sache. Wahrscheinlich hat das Jeder schon einmal in einer schwachen
Minute gehabt. Dass wir teilen wollen, etwas weggeben wollen und uns
sogar selbst das Versprechen geben, unbedingt jemandem etwas zu spenden:
der Kirche, den Armen, kinderreichen Familien oder entfernten
Verwandten. Aber wenn der Moment des Zahlens kommt, dann geht es uns oft
sehr schlecht damit. Weil Teilen jedes Mal einfach schwer ist. Schon
will man zumindest nicht gleich alles weggeben, sondern ein bisschen
zurückhalten. „Ich war im Überschwang der Gefühle vielleicht doch ein
wenig zu extrem…“. Natürlich ist das eine große Gabe. Darüber haben die
alten Väter in ihren Briefen an reiche Leute geschrieben: „Ihr seid
glückliche Menschen! Ihr habt etwas, was ihr geben könnt. Ihr habt
etwas, was ihr verlieren könnt, was ihr euch vom Herzen reißen könnt.
Wir haben nichts. Deshalb sind unsere Taten vor Gott weniger wert.“
Deshalb schreibt Apostel Paulus: tue freudig Gutes. Sei nicht geizig,
bereue es nicht, gib es weg und freue dich! Es ist seliger zu geben als
zu nehmen. Auch das lesen wir bei diesem Apostel.
„Eure Liebe sei ohne Heuchelei.“
„Verabscheut das Böse“. Das ist, wie ich finde, ein sehr wichtiger Satz
bei Apostel Paulus. Man kann das Böse meiden, sich bemühen nichts Böses
zu tun. Man kann es aber sogar verabscheuen. Das sind unterschiedliche
Begriffe. Das heißt, das Böse muss uns widerwärtig werden, wir müssen es
hassen, es muss uns schütteln vor Abscheu. Darüber spricht er. Wir
müssen dem Bösen fremdartig werden. Sodass wir, jedes Mal, wenn wir uns
böse fühlen, wir sofort eine Gegenreaktion in uns spüren müssen. Und
auch von Anderen das Böse nicht annehmen müssen, wobei wir sie nicht
unbedingt verurteilen brauchen. „Verabscheut das Böse“, wendet euch ab
von ihm, „haltet fest am Guten!“, werdet mehr und mehr vollständig eins
mit dem Guten.
„Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan“. {in der russischen
Übersetzung ist diesen Worten hinzugefügt: „mit Zärtlichkeit“}. Hier
braucht es wirklich keine besondere Deutung, denn alles ist einfach,
verständlich und logisch.
„Übertrefft euch in gegenseitiger Achtung!“ Bemüht euch die ersten zu
sein in der Achtung der Anderen gegenüber, im achtungsvollen,
ehrfürchtigen Miteinander. Grobheit ist leider Teil unserer Natur. Wir
lieben scharfe Worte und Konflikte. Und wieder spricht Apostel Paulus zu
uns einfach und allgemein verständlich: „übertrefft euch in
gegenseitiger Achtung!“. Das soll ein Maß sein für das soziale
christliche Leben, tiefste gegenseitige Achtung.
„Lasst nicht nach in eurem Eifer“. Im Eifer Gutes zu tun.
„Lasst euch vom Geist entflammen“. Was für eine wundervolle Poesie in
den Worten des Apostel Paulus! Man fühlt richtig, wie diese Worte in der
Originalsprache in hohem poetischen Stil gesagt sind. Noch in der
Übersetzung fühlt man ihn: „lasst euch vom Geist entflammen“! Das
geistliche Leben muss uns alle entflammen lassen, uns erwärmen. Es ist
das Wichtigste im Leben. Und diese erstaunlichen Worte im Anschluss:
„und dient dem Herrn!“. Viele stolpern über den Ausdruck „Knecht oder
Diener Gottes“. Was ist das für eine Dienerschaft, Knechtschaft, was für
ein Sklaventum habt ihr da in der Kirche installiert? Um die Kirche
herum alles frei, und bei euch hier Knechtschaft. Das ist genau das:
Knecht Gottes {auf russisch „rab Bozchij“, Diener Gottes, kann auch
Sklave Gottes heißen, wobei „rab“, denselben Wortstamm hat wie z.B.
„rabotat´“ – arbeiten} ist der Diener Gottes, der sich als Diener Gottes
auf Erden fühlt, als Ausführender, als Seine Hände in dieser Welt.
„Seid fröhlich in der Hoffnung“. Oft vergessen wir diesen Satz.
„Geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“, „beharrlich im
Gebet!“.  Ohne Kommentar. Mit einem tiefen Seufzer nehmen wir diesen
Satz in unser Herz auf.
„Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind;“. Die Rede ist von Kollekten
für arme Gemeinden, die Apostel Paulus bekanntermaßen vornahm für
Gemeinden in Judäa, im Heiligen Land, denn diese wurden gewöhnlich
verfolgt und waren sehr arm, weswegen ihnen andere Gemeinden Hilfe
zukommen ließen.
„Gewährt jederzeit Gastfreundschaft!“ Das ist auch ein sehr wichtiges
Moment, dass Gastfreundschaft heißt, Reisende aufzunehmen, Armen und
Hilfsbedürftigen zu helfen. Und Apostel Paulus schreibt {in der
russischen Übersetzung}: eifert, jederzeit Gastfreundschaft zu gewähren.
Was heißt hier „eifert“? – Echte Not wird niemals selbst laut „hier!“
schreien. Sie wird niemanden festhalten und dann verfluchen, wie es hier
bei uns vor der Kirche gerade ein Mensch tut. Echte Not versteckt sich
eher. Daher muss ein Christ sie mit Eifer suchen, um sie aufzudecken,
die echte Not, um dem zu helfen, der Hilfe wirklich braucht. Das
erfordert großen menschlichen Eifer und Fleiß.
„Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht!“. Hier auch,
bestimmt jeder Zweite hier bei uns, kommt zur Beichte und sagt: „Ich
verfluche die Politiker“. Der Eine verflucht Putin, der Andere Medvedev,
der Dritte Trump, der Vierte hat sich noch irgendeinen Feind ausgedacht.
Wozu braucht ein Christ das?  Zumal das Menschen sind, die an der Macht
sind. Mit ihnen wird der Herr besonders hart ins Gericht gehen. Von
ihren Entscheidungen hängt Vieles in unserem Leben ab, ob es ein Leben
in Frieden sein wird, oder nicht. Deshalb beten wir, dass Gott sie
erleuchte, aufhalte/bremse/anhalte oder aufkläre. Natürlich kommt es uns
selbst oft so vor, als wären wir Politiker. Wenn man mal so liest in
einem sozialen Netzwerk, dann sind alle deine Freunde Politiker.
Verändert sich die Situation, werden alle Spezialisten für Viren.
Augenblicklich werden alle Profis, geben Ratschläge, wissen es natürlich
besser, wie es zu sein hat. Davon muss man sich fern halten. Ein Christ
kann keine Feinde haben. Er darf keinen hassen. Er muss segnen. Und wenn
er keine Kraft hat zu segnen, dann möge er wenigstens schweigen. Die
Verfolger, unterstreicht und wiederholt Apostel Paulus, verflucht nicht,
sondern segnet sie! Denn auch sie sind sich nicht bewusst, was sie tun
und leben vielleicht im Glauben, sie seien die Vollstrecker eines
allumfassenden Gerichts. Letztlich sind aber auch sie eine Waffe in den
Händen der Vorsehung, manchmal auch einer göttlichen Heimsuchung.
Deshalb schreibt Paulus: „segnet“! Das bezieht sich natürlich auch auf
die Menschen, die uns in unserem einfachen Alltag nicht wohlgesinnt
sind. Wir müssen uns von allem Hass befreien. Als Beispiel möchte ich,
auch wenn ich weiß, dass ich euch schon sehr strapaziert habe, ganz kurz
aus der Liste der Heiligen, derer heute gedacht wird, die Heilige Lucia
nennen. Sie hat ein äußerst interessantes Beispiel gegeben. Sie war
Christin, eine reiche junge Frau. Sie wurde gefangen genommen von
irgendeinem germanischen Krieger, einem Hauptmann. Der hat sie
mitgenommen in sein Haus. Er dachte, sie würde seine Dienerin werden.
Natürlich vollzog er zuhause irgendwelche heidnischen germanischen
Kulthandlungen – das Ganze findet zu Beginn des 4. Jh. statt – und er
erwartet jetzt von ihr, da sie nun mal als Sklavin gefangen gehalten
wurde, dass sie gemeinsam mit ihm Opfer darbringen solle. Sie sagt:
„Nein. Lieber sterben, aber ich werde deinen Göttern keine Opfer
darbringen.“ Für ihn als Soldat war das interessant. Denn diese Menschen
hatten ja ständig den Tod vor Augen und hatten panische Angst vor ihm.
Und hier ist ein Mensch, der keine Angst vor dem Tod hat. Lieber
sterben, aber dem eigenen Glauben treu bleiben. Das hat ihm Respekt
eingeflößt. Dann begann er sie zu beobachten, und wirklich, dieser
Mensch betet tief und irgendwie sehr innig. Er stellt ihr ein kleines
separates Häuschen zur Verfügung auf seinem großen Hof, überlässt ihr
ihre Dienerinnen, die er gemeinsam mit ihr gefangen genommen hatte und
gibt ihr noch einige von den eigenen dazu, und sagt: „In eurem Häuschen
da könnt ihr beten. Und betet besonders auch für mich, wenn ich auf
Feldzügen unterwegs bin.“ Er war Berufssoldat, der viel in den
unterschiedlichsten Armeen kämpfte und immer wieder auf Feldzügen war.
Und Lucia also sollte für ihn beten. Und sie betete. Immer. Und er kam
heil wieder, jedes Mal, mit großem Lohn, und freute sich sehr darüber,
dass er jetzt in seinem Haus eine solch tüchtige Bittstellerin hatte.
Aber dann erreicht sie die Nachricht, dass wieder einmal eine Zeit der
Verfolgungen beginnt. Diokletian begann die Christen zu verfolgen. Sie
sagt zu ihm: „Das war´s. Ich habe bei dir gelebt, ich habe für dich
gebetet, aber jetzt gehe ich.“ „Wohin?“ „Nach Rom.“ „Warum?“ „Ich will
sterben, gemeinsam mit den Christen, die dort hingerichtet werden.“ „Ich
gehe mit dir.“ Dieser Mensch hat sein Haus verlassen, seine Familie,
seinen großen Hof, um sich das anzusehen. Er ging sich das ansehen,
begeisterte sich und starb zusammen mit ihr. So eine überwältigende
Heiligenvita. Er war ihr Verfolger, hat sie gefangen genommen, nahm ihr
die Heimat, das Land, die Freunde, die Gemeinde, in der sie lebte, ein
schrecklicher Mensch. Sie hat für ihn gebetet. Und das ist die Frucht:
heute verehren wir diese beiden zusammen als Heilige, die Heilige
Märtyrerin Lucia und Rix, diesen germanischen Hauptmann, der von den
Großtaten dieser jungen Frau so berührt war, dass er selbst beschloss
gemeinsam mit ihr sein Leben für Christus zu opfern. Das ist eine
wunderbare Illustration, wie wir diejenigen segnen sollen, die uns nicht
wohlgesinnt sind. Manchmal wissen die Menschen selbst nicht, was sie
tun, manchmal sind sie blind und können nicht an sich halten, vielleicht
weil sie selbst eine schwere Kindheit hatten oder durch irgendeine
innere Problemhaftigkeit. Aber wir müssen sie und die ganze Situation in
unser Herz nehmen, Mitleid mit diesen Menschen haben, sie nicht
verfluchen und beten. Und wir sehen, wie das Gebet Wunder wirkt, wie es
uns selbst verändert, alle die ändert, die uns heute hassen und morgen
vielleicht schon bereit sind, mit uns in den Tod zu gehen für den
Wiederstandenen Christus.
Beschütze uns alle der Herr, liebe Brüder und Schwestern, Gottes Segen
euch allen!


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